Kleine Gemeinden können sowas von gesund sein
Niemand würde behaupten, dass grosse Gemeinden per se geistlicher sind als kleine. Doch wer stellt die Konferenzredner und Buchautoren? Richtig geraten. Niemand würde sagen, dass jede Gemeinde zwangsläufig zahlenmässig wachsen muss. Doch was steht als unausgesprochene Erwartung hinter jedem Gemeindewachstumsprogramm? Richtig geraten. Karl Vaters schreibt schon seit einer ganzen Weile gegen diesen Mythos der grossen geistlichen Megagemeinde an. Das heisst, eigentlich schreibt er vielmehr für ein realistisches und positives Bild von kleinen Kirchen und Gemeinden. Gerade ist sein neues Buch (auf Englisch) erschienen: «Small Church Essentials: Field-Tested Principles for Leading a Healthy Congregation of under 250» (Lebensnotwendiges für kleine Kirchen: Bewährte Prinzipien, um eine gesunde Gemeinde unter 250 Mitgliedern zu leiten).
Ein sehnsüchtiger Blick?
Es gibt in Europa zwar keine Megagemeinde nach US-amerikanischem Zuschnitt, aber es gibt viele sehnsüchtige Blicke über den grossen Teich hinweg. Von daher können Vaters Gedanken auch bei uns hilfreich sein. «Christianity Today» listete einige Zitate aus Vaters neuem Buch auf. Wenn in Ihren Träumen Kirche oder Gemeinde unbedingt gross ist, dann lassen Sie sich doch einmal von diesen Gedanken inspirieren. Und wenn Sie beim Lesen feststellen, dass dies gar nichts Besonderes ist, weil Ihre Gemeinde all das schon lebt, dann freuen Sie sich daran. Viele Noch-nicht-Christen in Ihrer Umgebung werden sich mitfreuen.
Zitate aus dem Buch
Gemeindeleiter kämpfen oft mit dem «Problem» kleiner Gemeinden, sprich, wie man sie zu grossen macht. Wie bei den meisten Vorurteilen sind jedoch unsere Probleme mit kleinen Gemeinden oft nicht, was sie scheinen. Nur weil eine Kirche klein ist, ist sie doch nicht am Ende (S. 10).
Nur, weil wir keine sagenhaft professionelle Lobpreisband haben, heisst das nicht, dass wir uns mit leidenschaftsloser Anbetung begnügen müssen (S. 43).
Je grösser eine Kirche ist, desto weniger Auswirkungen haben einzelne Menschen und ihre Persönlichkeiten auf das Ganze. Ihre Herausforderungen liegen eher in der Gruppendynamik als in persönlichen Schrullen einzelner. Eine offene, vielleicht peinliche Wortmeldung, hat dort weniger Einfluss als unangenehme E-Mails, die der Pastor regelmässig erhält (S. 59).
Die Menschen in der Kirche sind kein Mittel zum Zweck, sie sind kein Werkzeug, um ein bestimmtes Produkt oder einen Dienst zu erzeugen. Die Menschen in einer Gemeinde sind keine Ressourcen, sie sind das Ergebnis. Sie sind nicht das Fahrzeug, das Sie zu Ihrem Ziel bringt – sie sind das Ziel. Diese Menschen, die Jesus anbeten und anderen seine Liebe weitergeben, sind das, wofür die Gemeinde existiert (S. 70).
Es gibt mehr kleine Gemeinden als man denkt. Selbst in den USA besuchen 46 Prozent aller Christen Kirchen mit weniger als 100 Gottesdienstbesuchern (S. 83).
Wenn Sie Liebe üben und den Missionsbefehl umsetzen, dann haben Sie bereits eine grossartige Gemeinde, egal wie viele sie besuchen, welcher Denomination sie angehört oder nach welcher Liturgie der Gottesdienst gefeiert wird (S. 86).
In der Geschäftswelt erhalten Grossunternehmen wie Amazon, Volkswagen oder Coca-Cola die ganze Aufmerksamkeit. Dabei sind es die Kleinunternehmen, die hauptsächlich die Wirtschaft ankurbeln. Das Gleiche gilt für die Kirche. Besonders die kleinen Gemeinden treiben das Wachstum der weltweiten Kirche voran. Sie sind die wohl am häufigsten übersehene Stärke des Christentums, und sie vermehren sich unaufhaltsam (S. 90).
Bevor wir einen weiteren Dollar, eine Minute unserer Zeit oder einen Tropfen Energie investieren, um einer Gemeinde voranzuhelfen, sollten wir uns die Frage stellen: Steckt meine Gemeinde fest oder ist sie nur klein? Wenn kleine Kirchen tatsächlich wichtig für den Missionsauftrag von Jesus sind, dann müssen wir diesen Unterschied kennen (S. 99).
Ich habe noch nie einen Pastor getroffen, der unbedingt Spenden sammeln wollte, Mitarbeiter managen oder mit dem Rathaus um Baugenehmigungen streiten. Einige mögen dies als ihre Berufung annehmen, die meisten jedoch gehen in den vollzeitlichen Dienst, weil sie Herzen und Leben von Menschen möglichst direkt berühren wollen. Jeder Arbeitsbereich fordert Pastoren auf seine eigene Weise heraus, doch die meisten können sich und ihre Erwartungen in einer kleineren Gemeinde tatsächlich am Besten entfalten (S. 105).
Ihren Gottesdienst einfach einmal umzustellen und neu zu durchdenken, ist gratis und einfach. Sie müssen nichts hinzutun oder etwas weglassen, das Sie momentan tun. Sie müssen keine andere (grössere!) Gemeinde kopieren und hoffen, dass etwas auf Sie abfärbt. Sie entwickeln einfach eine bessere Version Ihrer eigenen Kirche. Das Ändern Ihres Gottesdienstes ist dabei kein Zaubertrank, aber es könnte der erste Schritt zu etwas Besonderem sein (S. 142).
Ich bin nicht der grosse Ideengenerator unserer Gemeinde. Ich muss es auch nicht sein. Wir pflegen nämlich eine Atmosphäre, in der die Leute wissen, dass man ihre neuen Ideen hört und respektiert, ihre unfertigen Gedanken weiterdenkt, wo man experimentiert, Erfolge feiert werden und aus Misserfolgen etwas lernt (S. 160).
An Heiligabend, Karfreitag, Ostern und anderen Feiertagen haben wir kein spezielles Programm. Wir führen unsere Gottesdienste so durch wie immer, machen uns allerdings bewusst, dass mehr Gäste als sonst kommen (S. 204).
Wenn wir die nächste Generation erreichen wollen, müssen wir besser darin werden, unseren Dienst von der Gemeinde aus zu tun, und nicht nur innerhalb der Gemeinde. Halten Sie Ihre Augen und Ohren offen für das, was durch die Mitglieder Ihrer Gemeinde bereits geschieht, kommen Sie dazu und unterstützen Sie sie dabei (S. 231).
Kirchliche Einrichtungen sollen hilfreich sein. Sie sollten einen Zweck erfüllen, der über sie selbst hinausgeht. Die Form folgt dabei der Funktion, nicht andersherum. Sie alle haben als geistlichen Wert, dass sie die Anbetung von Jesus und den Dienst aneinander ermöglichen (S. 239).
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Datum: 07.04.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet