Andreas Zeller

"Kirche muss im säkularen Umfeld mehr Profil zeigen"

Die Berner reformierte Landeskirche wandelt sich. Sie will ihr Verhältnis zum Judentum und zum Islam klären und mit Regeln Konflikten in der Gemeindeleitung vorbeugen. Synodalratspräsident Pfr. Andreas Zeller äussert sich im Livenet-Gespräch zu landeskirchlicher Vielfalt, Traditionsabbruch, Gottesdienst - und reformiertem Selbstbewusstsein.
"Wir müssen die Grenzen noch nicht enger stecken": Andreas Zeller im Livenet-Gespräch.
Die Heiliggeistkirche beim Berner Bahnhof: Kirche in der Stadt…
…und auf dem Land: Oberbalm im Hügelland südlich von Bern.
Tradition: Berchtold Haller setzte
Drahtlos verbunden: Andreas Zeller
Im Bernbiet kein Traditionsabbruch
"Position gegenüber dem Judentum und dem Islam klären": Neben Fragen der Gemeindeleitung beschäftigen interreligiöse Fragen den Synodalrat.
Mehrsprachig: Synodale aus dem Berner Jura beraten sich während der Debatte über Gemeindeleitung, Dezember 2008.
Kantig im Kirchenbund: Andreas Zeller im Gespräch mit dem SEK-Theologen Matthias Wüthrich.
Bei Hochzeitspaaren beliebt: Die Kirche Burgistein hoch über dem Gürbetal.
Miteinander: Die grösste Landeskirche der Schweiz wird vom siebenköpfigen Synodalrat geleitet.

Livenet.ch: Herr Zeller, welche positiven Entwicklungen nehmen Sie in Berner Kirchgemeinden wahr?
Andreas Zeller: Ich staune über das reichhaltige Leben, die vielfältigen Angebote. Ich lese monatlich 40 bis 50 Gemeindeblätter. Bei Veranstaltungen und Gottesdiensten erlebe ich manches mit - es ‚kribbelet' mich, erinnert mich an die Zeit als Gemeindepfarrer. Erfreulich ist das Interesse für Theologiekurse.

Wie hat sich die Berner Kirche in den letzten 20 Jahren entwickelt?
Gemäss der Volkszählung 2000 waren 67 % der Berner Bevölkerung reformiert. Dieser Anteil sinkt. In einigen Gebieten, so im Emmental oder im Berner Oberland, sind die Reformierten noch stark in der Mehrheit (teils über 85 %); im Stadtteil Bern-West stellen sie noch einen Drittel. Wir haben ganz unterschiedliche Situationen. Nur wenn Stadt und Land zusammenkommen, finden sich in der Synode Mehrheiten.

Befruchten Stadt und Land einander?
In der Synode prallen die Meinungen aufeinander. Bisher waren die Synodalen frei. Die Gesamtkirchgemeinde Bern, die laufend Mitglieder verliert, will neuerdings ihre 19 Synodalen auf bestimmte Punkte verpflichten, die für sie wichtig sind. Synodale aus ländlichen und Randregionen stemmen sich gegen Mittel für Projekte, die vor allem in der Stadt ein Thema sind. Beim Berner Haus der Religionen forderten sie, dass die Mittel der Landeskirche nicht für den Bau, sondern den Dialog verwendet werden.

In der Kirchensynode treten Gruppen ähnlich wie Lobbies für ein bestimmtes Anliegen ein. Wie gehen Sie damit um?
In keiner anderen Synode gibt es sechs Fraktionen: die Positiven, die Liberalen, die Mitte, die Unabhängigen, die Gruppe Offene Synode, die französischsprachige Fraktion. Weil wir noch immer das enge Verhältnis zum Staat haben, kann man es sich noch leisten, Richtungen so zu betonen. Wir müssen die Grenzen noch nicht enger stecken.

Wären wir viel kleiner, müssten wir vielleicht auf Richtungskämpfe verzichten. Ich erlebte das in der Diasporasituation in Flamatt im Kanton Freiburg, wo praktisch keine Reformierten einer Freikirche angehörten.

Ein Teil der Bevölkerung scheint Wesentliches vom christlichen Glaubensgut nicht mehr zu kennen. Man spricht von Traditionsabbruch. Was halten Sie davon?
Ich erlebte am Fernsehen einen YB-Cupmatch, bei dem die Fans zur Unterstützung des Stürmers Seydou Doumbia sangen: "Doumbia my Lord, Doumbia…". Das zeigt, dass dieser Spiritual unter Fussballfans bekannt ist. Gelernt haben sie das "Kumbaya my Lord" im kirchlichen Unterricht!

Ich bin nicht so sicher, ob in der Volkskirche alles weggebrochen ist, wie Bischof Kurt Koch es formuliert. Anfang März nahm ich in Biel an einem Podium zum Thema "Werbung und religiöse Motive" teil. Erstaunlich, was die Werber an religiösen Symbolen aus der Bibel übernehmen. Das täten sie nicht, wenn die Symbole nicht mehr wirken würden.

Dabei transformieren die Werber die religiöse Landschaft. Die Kirche hat die Deutungsmacht verloren.
Gerade deshalb muss sie den Glauben zeitgemäss tradieren - und an Ostern nicht über irgendetwas reden, sondern über Auferstehung; sie muss zu ihrem Verstehen anleiten und Konsequenzen für unser Leben aufzeigen.

Für uns Reformierte ist der Missbrauch religiöser Bilder weniger gravierend als für Katholiken, weil wir eine aufs Hören ausgerichtete Kirche sind. Wir haben in der Regel nicht den gekreuzigten Körper von Jesus am Kreuz, nur das Kreuz, wir haben keine Marien- und Heiligenbilder und -statuen, sondern wir hören die biblischen Texte, die Predigten und die Musik.

In der säkularisierten Gesellschaft erleben Christen eine grundlegende Respektlosigkeit gegenüber allem Religiösen. Geschieht dies auch im protestantisch geprägten Kanton Bern?
Dass wir in einer säkularen Welt leben, zwingt uns, mehr Profil zu zeigen. Wir haben das im Synodalrat diskutiert. Wir müssen klar machen, was eigentlich reformiert, was christlich ist. Wir sind uns einig, dass politische Versuche im Kanton und auf Bundesebene, Landeskirchen, Freikirchen und Sekten über einen Leisten zu schlagen und sie als religiöse Gruppierungen zu bezeichnen, verheerend sind. Erst recht, wenn man die durch Migration gewachsenen Gemeinschaften dazu nimmt.

Denn grosse Teile unserer Kultur sind nur zu verstehen, wenn man Christentum, Bibel und Kirchengeschichte ein wenig kennt. Sonst sind viele Symbole in der Literatur und Kunst gar nicht mehr verständlich. Da haben wir als Landeskirche noch lange eine Verantwortung, auch wenn wir einmal nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung stellen sollten. Als grösste Religionsgemeinschaft haben wir die Tradition weiterzugeben und für den Dialog der Konfessionen und Religionen zu sorgen.

Was beschäftigt den Berner Synodalrat 2009?
Die grossen Projekte Ordination und Gemeindeleitung, zu welchen die Synode im Dezember 2008 Beschlüsse fasste. Uns beschäftigen Fragen wie, wer in der Gemeinde das Sagen hat, welches die Kernaufgaben der Pfarrpersonen sind, welche Rolle die Katechten und Katechetinnen im Team übernehmen, wie die Stellung der Diakonischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist? Weil wir ausführliche Vernehmlassungen bei den Berufsgruppen und Kirchgemeinden durchführen, kommen sie erst im Sommer 2010 wieder in die Synode. Wir haben für die beiden Geschäfte eine Gesamtprojektorganisation gebildet, die ich leite.

Weiter gibt eine Interpellation zum interreligiösen Dialog viel zu tun. Wir sind dabei, unsere Position insbesondere gegenüber dem Judentum und dem Islam zu klären. Ich freue mich auf die Debatte in der Wintersynode. Auch die Migrationskirchen beschäftigen uns. Zudem ist die Aufgaben- und Ressourcenplanung unserer gesamtkirchlichen Mitarbeitenden ein Dauerthema.

Im Dezember 2008 hat die Synode für Kirchgemeinderäte mehr Kompetenzen in der Gemeindeleitung beschlossen. Wird das so realisiert?
Der Synodalrat wollte mit seiner Vorlage, die mit Änderungen genehmigt wurde, nichts Neues bringen, sondern Bestehendes klären. Im Herbst 2006 signalisierten der Pfarrverein wie der Kirchgemeindeverband unabhängig voneinander, dass sie Klarheit darüber wünschten, wer eigentlich die Gemeinde leitet. Unterschiedliche Auffassungen stehen im Raum; es gab und gibt in einzelnen Kirchgemeinden Konflikte. Da müssen wir Lösungen finden.

Wie bringen Sie das Weisungsrecht des Kirchgemeinderats an Pfarrer und die Verpflichtung zum Dialog zusammen?
Ich habe 26 Jahre als Gemeindepfarrer gearbeitet und war froh, dass ich nie über Personal- und Baufragen abstimmen und über Budgets befinden musste. Aber ich bzw. das Pfarrteam wurde gebeten, die Meinung zu solchen Geschäften zu äussern. Von daher fällt es mir schwer zu begreifen, warum eine solche Zusammenarbeit heute nicht mehr klappen soll.

Was die Synode gemäss unserer Vorlage beschlossen hat, wird in Kirchenordnungsartikel einfliessen: Die Entscheidkompetenz liegt beim Rat - aber selbstverständlich ist die Pfarrerin, der Pfarrer einzubeziehen.

Weitere Mitarbeitende sollen ebenfalls angehört werden.
Die Sozialdiakone und die Katechetinnen. Das ist offenbar schon da und dort der Brauch. In Münsingen war sogar der Sigrist in den Sitzungen während Jahren dabei. Wenn wir Pfarrer (in Münsingen waren wir sechs) ein bisschen bös dreinschauten, entfiel manchen Kirchgemeinderäten der Mut, noch etwas zu sagen. Das ist auch nicht gut. Es braucht also Anpassungen.

Der Kirchgemeinderat soll Vorgaben machen, auch bei Widerstand?
Ja. In der Dienstanweisung für Pfarrer haben wir andererseits von der theologischen Kompetenz der Pfarrerinnen und Pfarrer gesprochen. Der Kirchgemeinderat tut natürlich gut daran, diese Kompetenz abzurufen.

Reformierte Gottesdienste sind in der Regel nüchterne Einpersonen-Veranstaltungen und die Predigt steht im Mittelpunkt. Sind künftig auch andere Formen zu pflegen?
Im Pfarrleitbild und in der Dienstanweisung für die Pfarrschaft haben wir formuliert, wie Pfarrerinnen und Pfarrer im Gottesdienst zu agieren haben: professionell, sachkompetent, mit Selbstvertrauen und indem sie vermehrt andere einbeziehen. Ich stelle fest: Wenn es gelingt, in verständlicher Sprache die Sache rasch auf den Punkt zu bringen, ist die Einmann-oder Einfrau-Rede nach wie vor etwas Gutes. Das heisst nichts gegen neue Formen.

Kann der Gottesdienst rund um die Predigt vielfältiger gestaltet werden?
Wir sehen zwei Bewegungen: einerseits hin zu einer erkennbar reformierten Liturgie, andererseits zu mehr Vielfalt. Als erfahrener Gemeindepfarrer weiss ich, wie viel Zeit und Ressourcen für das Zweite eingesetzt werden müssen.

Braucht die Kirche ein neues Sendungsbewusstsein?
Sie soll zeitgemäss verkündigen. Aber im Kanton Bern erwartet man von der Landeskirche nicht - noch nicht - Mission. Kann sein, dass der Ruf danach einmal ertönt, wenn es noch 20 Prozent Reformierte gibt. Wen wollen Sie denn missionieren in den Dörfern, in denen noch zwei Drittel oder drei Viertel reformiert sind?

An vielen Orten gehen noch ein, zwei oder drei Prozent der Leute sonntags zum Gottesdienst. Da läge mehr drin.
Bei den Reformierten gehört das Religiöse nach meinem Eindruck zu den ganz intimen Dingen. Der Glaube gehört dazu, aber man spricht nicht gern darüber, ist sich das auch nicht gewohnt. In meinem Umfeld sind viele, die nie aus der Kirche austreten würden, die erwarten, dass wir eine gute Arbeit machen, aber sich nicht aktiv beteiligen. Die reformierten Menschen gehen in die Kirche, wenn sie etwas für sich brauchen oder Mitmenschen begleiten wollen, d.h. vor allem bei den Kasualgottesdiensten Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung.

Will der Synodalrat das explizite und werbende Reden vom Glauben weiterhin den Freikirchen und weiteren Gemeinschaften überlassen?
Wir arbeiten am Thema ‚Kirche und Marketing' und überlegen, was den Zielgruppen gerecht wird. An den Kampagnen anderer Kirchen (‚Selber denken. Die Reformierten') haben wir uns nicht beteiligt, da wir meinen, dass dies im Kanton noch nicht angebracht ist. Herausstehen und so Flagge zeigen, dass es nicht missverstanden wird, ist für Reformierte eher schwierig. Eine Organisation, die den grössten Teil ihrer Finanzen von uns erhält (einen sechsstelligen Betrag), lud kürzlich zu ihrer 50-Jahr-Feier ins Münster ein, ohne das Logo der Landeskirche auf die Einladung setzen zu wollen. Da müssen wir tatsächlich lernen, mehr und besser Flagge zu zeigen.

In Deutschland sind evangelische Kirchenleiter viel öfter mit prägnanten Stellungnahmen in den Medien präsent. Schweizer Reformierte scheinen weniger relevant. Hängt dies damit zusammen, dass wir Glauben implizit leben, Christen sein wollen, ohne uns zu äussern?
Womit hängt das zusammen? Man kennt bei uns die Kirche am Ort, man weiss vom Engagement der Landeskirchen im Asylbereich und dass sie sozial und diakonisch manches tragen und unterstützen. Die Landeskirchen in den Kantonen überlassen dem Kirchenbund die Stellungnahme in nationalen Belangen. Es stimmt: Wir äussern uns eher reaktiv, setzen nicht Themen.

Im Zeitalter der Individualisierung ist der Glaube für manche etwas so Privates und Intimes geworden, dass er allein gelebt wird und keine Gemeinschaft mehr stiftet.
Der Protestantismus hat kein Lehramt - niemand gibt in der reformierten Kirche vor, was zu glauben ist. Ich kann heute eine Äusserung abgeben und morgen protestieren einige und ‚möögge': "Was fällt ihm ein?"

Im Tätigkeitsbericht 2008 des Synodalrats habe ich darauf hingewiesen, dass wir da und dort kongregationalistische Tendenzen feststellen: Die Kirchgemeinde ist in vielem weitgehend selbständig. Es gibt Pfarrkollegen, die meinen, sie seien die Kirche und von Bern bräuchten sie nichts als den Lohn. Da gilt es darauf hinzuweisen, dass eine grössere Gemeinschaft wie die Kantonalkirche unerlässlich ist als Gesprächspartnerin für den Kanton und die Öffentlichkeit, sonst könnten Notfall-, Gefängnis-, Spitalseelsorge und Asylantenbetreuung nicht ausgeübt werden.

Die Monatszeitschrift reformiert. prägt das Bild der Kirchen in der Deutschschweiz mit. Wenn Politik und Gesellschaft dominieren und die Kernbereiche kirchlichen Lebens (Glaube, Gottesdienst, Weitergabe des Glaubens, Seelsorge) kaum vorkommen, trägt reformiert. zur Selbstsäkularisierung der Kirche bei.
Eine interessante These. Ich wünsche mir manchmal noch mehr vertiefte Artikel, wie sie der ‚sämann' früher brachte. Dafür etwas weniger oder etwas kleinere Bilder . Auf den Gemeindeseiten kommt Kirche jedoch lebendig herüber. Ich bin gespannt, wie reformiert. sich entwickelt. Das Blatt hat eine unabhängige Trägerschaft, wird aber, weil die Kirchgemeinden es finanzieren, als landeskirchlich wahrgenommen.

Natürlich sollte eine kirchliche Zeitschrift das Ihre zur Sprache bringen - auch um dem biblisch-kirchlichen Analphabetismus zu begegnen. Herr Müller sollte, wenn er am Gründonnerstagabend das Kirchenblatt durchblättert, lesen können, warum wir Karfreitag und Ostern feiern.

Sie haben eingangs den interreligiösen Dialog erwähnt. Wie steht die Kirche in der Wahrnehmung des Mannes auf der Strasse da, wenn sie sagt (wie in der nationalen Feier im Berner Münster vor dem Irakkrieg, März 2003): Wir glauben an den einen Gott wie die Muslime.

An der Gesprächssynode 2008. zum interreligiösen Dialog fielen die Beiträge des Rabbiners und des Imams für mich eher ernüchternd aus. Der Rabbiner zeigte auf, dass die Juden theologisch gesehen die Christen nicht brauchen, weil ihr Messias nicht unserem Jesus Christus entspricht. Der Imam betonte, dass die Moslems von uns Christen vor allem die Anerkennung der moslemischen Glaubensvorschriften beim Essen, in Spitälern, Heimen etc. erwarten.

Ich meine, man kann sagen, dass wir einen Gott haben. Aber der Zugang zu ihm und das Denken über ihn sind verschieden, auch der Zeitpunkt, an dem dieses Nachdenken einsetzte. Und dies zeigt sich daran, wie der Glaube gelebt wird. An unseren Auffassungen müssen wir festhalten.

Für uns als Berner Kirche ist es aber auch klar, dass wir Migranten helfen wollen, heimisch zu werden; sie sollen ihre Kultur leben können. Ebenso selbstverständlich erwarten wir, dass ihre Religion ihnen auf eine Weise vermittelt wird, die den hiesigen Standards entspricht.

Gerade die Stärken der reformierten Kirchen: ein aufgeklärtes Christentum, die historisch-kritische Methode der Bibelauslegung, der persönlich verantwortete Glauben, die Gleichstellung von Frau und Mann in Kirche und Gesellschaft und die Verantwortung der Religion gegenüber der ganzen Schöpfung, also Natur und Umwelt, müssen mit Nachdruck betont werden.

Um sein ‚Weltethos' zu stärken, betont Hans Küng, was den Religionen gemein ist und Menschen zusammenführt. Im Alltag vieler Menschen stehen hingegen die trennenden Unterschiede im Vordergrund. Schaffen sich Kirchen, die die Gegensätze vertuschen und die Inhalte harmonisieren, ein Problem?
Die Vorlage, die wir für die Wintersynode erarbeiten, wird unser Verhältnis zum Judentum und den anderen Religionen thematisieren. Wir hören auch auf unsere OeME-Spezialisten, die sich seit 20 Jahren mit Muslimen befasst haben. Wer wenn nicht die Kirche soll dies tun? Natürlich kommt es darauf an, wie es geschieht. Ich stelle in weiten Teilen der Bevölkerung, auch bei Gebildeten, eine enorme Zurückhaltung gegenüber dem Islam da ist, auch eine grosse Angst. Dies ist mitzubedenken.

Als ich nach dem Studium als junger Pfarrer in den Kanton Freiburg kam, wurde ich bewusst reformiert: Ich musste mir gegenüber der katholischen Mehrheit über meine Identität klar werden. Erst dann konnte ich die katholische Kirche genauer anschauen. Dann musste man weiter fragen: Was verbindet und trennt uns? - und den Mut haben, es zu benennen. Dasselbe, denke ich, ist auch interreligiös geboten.

Zur innerevangelischen Ökumene: Wie sehen Sie das Verhältnis zu den Freikirchen im Kanton?
Einige Freikirchen beantragten eine staatliche Anerkennung, die ihnen den Zugang zu staatlichen Institutionen (Schulen, Spitäler, Heime, Gefängnisse) gegeben hätte. Wir wandten ein, dass zuerst die Ausbildung geregelt und die Qualität sichergestellt werden müsste. Die aktuelle Grosswetterlage ist gut; ich sehe keine Konflikte.

Was können die Reformierten von Freikirchen lernen?
Engagement und Begeisterung. Und den Freikirchen gelingt es offenbar besser, Familien mit Kindern regelmässig in den Gottesdienst zu bringen.

Pfr. Dr. theol. Andreas Zeller (54) leitet seit September 2007 im Vollamt den Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Er war nach dem Theologiestudium Gemeindepfarrer in Flamatt (1981-87) und Münsingen (bis 2007).
1998 wurde er aufgrund einer neutestamentlich-konfessionskundlichen Dissertation zum Dr. theol. promoviert. 2006 schloss er eine Weiterbildung zum Executive Master of Nonprofit Managment ab.
Dem Synodalrat gehört Andreas Zeller seit 1999 an, ab 2003 mit der Verantwortung für das Departement Theologie. Er leitete die Projektgruppe Täuferjahr 2007. Andreas Zeller ist verheiratet mit der Ökonomin Rosalia Zeller-Mejia.

Links zum Thema:
Andreas Zeller im Tätigkeitsbericht 2008, Seiten 4-8: Welche Kirche wollen wir in Zukunft?
Andreas Zeller zu Himmelfahrt und Pfingsten
Webseite: der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn
Die Berner Kirchensynode zur Gemeindeleitung

Datum: 21.05.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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