Raniero Cantalamessa

Ein Kardinal erlebt Einheit mit evangelischen Christen

Schon an der Explo 15 in Luzern hatte Cantalamessa, päpstlicher Hofprediger und inzwischen im Kardinalsstand, über sein Verständnis christlicher Einheit gesprochen. Nun hat er dies in einem Interview vertieft erläutert.
Pater Raniero Cantalamessa (Bild: Explo)

Schon in Luzern sagte der Hofprediger des Papstes 2015 Erstaunliches über die «Chance der Einheit»: «Der Herr möchte, dass wir vereint sind!», so Cantalamessa. Er sprach von seiner Bekehrung an einer charismatischen Veranstaltung in Kansas 1977, als er nach eigenen Worten die Geistestaufe empfing.

Er habe die Zügel seines Lebens ganz neu Christus übergeben und erkannt, dass alles mit der Person Jesus beginnt. Darauf sei eine zweite Bekehrung hin zur Einheit geschehen. Cantalamessa: «Wir werden Busse tun über alle unsere Abspaltungen. Der Herr giesst seinen Geist in allen Kirchen aus», so der Franziskaner Ordensmann.

Eine Ökumene des Glaubens

Es gelte, so Cantalamessa im Interview mit der Zeitschrift «Amen» von Campus für Christus, zu einer «Ökumene des Glaubens» zu gelangen. Diese unterscheide sich von der «Ökumene des Unglaubens». Das heisst: «Die erste vereinigt diejenigen, die glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist und dass Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Die zweite vereinigt diejenigen, die sich darauf beschränken, diese Dinge zu interpretieren und die Hermeneutik mehr zu fördern als den Glauben.»

Überholte Gegensätze

Raniero Cantalamessa tritt dafür ein, «uns von den Rückständen der vergangenen Polemik zu befreien.» Er gab sich überzeugt, dass «bestimmte Gegensätze, die ihre Begründung weitgehend verloren haben, aber als Stereotypen und Gegenbilder weiterleben, den ökumenischen Dialog belasten».

Zum Beispiel der Gegensatz von Glauben und Werken. Noch hätten zum Beispiel viele nicht bemerkt, dass der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche sich 1990 über die Rechtfertigung aus dem Glauben geeinigt haben. Er befolge aber den Grundsatz von Johannes Paul II.: «Zusammen bringen, was uns eint, was wichtiger ist als das, was uns trennt.»

«In den Augen der Verfolger sind wir eins»

Er stelle sich daher die ernste Frage: Kann ich mich als Katholik mehr in Gemeinschaft mit der Vielzahl derer fühlen, die in meiner eigenen Kirche getauft wurden, die aber Christus und die Kirche völlig vernachlässigen, als ich mich mit all denen fühle, die anderen Konfessionen angehören, aber an dieselben grundlegenden Wahrheiten glauben wie ich? Die Jesus Christus so sehr lieben, dass sie ihr Leben für ihn geben, die sein Evangelium verbreiten und die dieselben Gaben des Heiligen Geistes haben wie ich als Katholik?»

Und er gibt zu bedenken: «Die Verfolgungen, die heute in bestimmten Teilen der Welt so häufig sind, machen keine Unterschiede: Kirchen werden nicht abgebrannt und Menschen werden nicht getötet, weil sie katholisch oder evangelisch sind, sondern weil sie Christen sind. In den Augen unsere Verfolger sind wir bereits eins!»

Zum Thema:
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Datum: 06.07.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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