Betteln war verboten

Besucher hungerten an Stop-Armut-Konferenz

Ausgerechnet in Bern, auf der Stop-Armut-Konferenz musste mehr als die Hälfte der Besucher unverhofft hungern. Nichtsahnend fanden sie sich beim Weltbankett in einem Rollenspiel mit Zündstoff.
Auf der Bühne werden die «Reichen» bedient, am Boden darben die «Armen».
"Der grössere Teil der Besucher hungerte (Foto: Philipp Tobler)."
Den «Armen» bleibt nichts anders übrig, als abzuwarten, ob für es für sie doch noch ein Essen gibt.
"Die Reichen werden auf der Bühne bewirtet (Foto: Philipp Tobler)."

Rund die Hälfte der Besucher machten am Mittag beim «Weltbankett» grosse Augen. Am Morgen noch, zu Tagungsbeginn, hatte jeder Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ein farbliches Kennzeichen erhalten. Gegen Mittag nun entdeckten die rund 200 Besucher, dass diese Markierungen den Platz an der Mittagstafel festlegten, proportional zur weltweiten Einkommensverteilung.

Einige wenige, die Reichen, wurden auf der Bühne festlich bedient. Eine zweite, etwas grössere Gruppe, erhielt ebenfalls ein gutes Essen. Daneben sass rund die Hälfte der Teilnehmenden auf Stühlen, nach einiger Zeit konnten sie eine Schale Reis abholen. Das restliche Drittel darbte am Boden sitzend und konnte nach etwa einer halben Stunde lediglich ein Glas verdünnte Milch entgegennehmen.

Rebellion

Zwei Regeln galten: Die Hungernden durften nicht betteln, und die Vorzugsgesellschaft durfte nichts von ihren Tellern abgeben. Und so sassen die «Armen» auf Kissen in der Mitte des Raumes und mussten mit ansehen, wie an den Tischen zugelangt wurde. Nach und nach setzte da und dort ein Murren ein, die Ungerechtigkeit war plötzlich greifbar.

Ein paar Jugendliche skandierten plötzlich «Stop Armut, Stop Armut», andere schrieben mit grossen Lettern auf ein Plakat «Hunger». Gestillt wurde dieser freilich auch nicht durch das Glas verdünnte Milch.

Gerade überschwengliche Freude war auf den Gesichtern der Benachteiligten nicht abzulesen, eher schon verzogene Minen. Eine offene Revolte, ein Angriff auf die Teller der Bessergestellten oder ein Plündern der Küche blieben aus.

Die «Reste der Reichen»

Aufgelöst wurde die steigende Spannung durch das Abendmahl, an dem alle genügend Brot und Traubensaft erhielten. Und schließlich stellte man in der Küche fest, dass die Reichen nicht alles gegessen hatten. So erhielten die Armen zuletzt noch die «Reste».

Claudia Bodenmann, Mitglied des Organisationskomitees, verantwortete das «Weltbankett». Es sei eindrücklich gewesen, dass die Leute das Rollenspiel mitgemacht hätten. «Jemand sagte, dass es gut gewesen sei, dass es dadurch auch über Mittag einen passenden Programmteil gegeben habe. Ein anderer erklärte, dass eine solche Konferenz ein guter Rahmen dafür gewesen sei; wenn man es auf einer solchen Konferenz nicht machen könne, wo dann?»

Greifbare Ungerechtigkeit

Am Theologisch-Diakonischen Seminar (TDS) in Aarau hat Claudia Bodenmann ein solches «Weltbankett» gesehen. «In den Projekttagen führten es die Leiter mit uns durch, bereits beim „Znüni“ war das Essen ungerecht verteilt.» Für ein solches Bankett an der StopArmut-Konferenz erhielt dann Bodenmann die Federführung.

Es bleibt in Erinnerung. «Man erlebt ein Ungerechtigkeitsgefühl und kann zumindest im Ansatz erahnen, wie die Wirklichkeit ist.» Davon lesen sei nicht dasselbe wie es an einer solchen «Tafelrunde» selber erleben.

Natürlich wollten die Organisatoren nicht, dass die Leute hungrig in die anschliessenden Workshops mussten, und so wurde das Abendmahl als Freudenmahl gefeiert. Dort sollte man zugreifen; zudem standen dann auch jene «Reste» zur Verfügung.

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Gemeindeleiter oder andere Interessierte sind können ein solches Bankett ebenfalls durchführen, weitere Infos sind erhältlich bei www.stoparmut2015.ch
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Datum: 13.10.2010
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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