Pakistan

Begnadigung für Asia Bibi?

Gibt Pakistans Staatspräsident Zardari einem Gnadengesuch der Christin Asia Bibi statt? Sie wurde am 8. November wegen «Gotteslästerung» zum Tod durch den Strang verurteilt. Der Minderheitenminister des Landes Shahbaz Bhatti hat um Begnadigung ersucht. Im fanatisch erregten Klima Pakistans ist der Fall Bibi zum erstrangigen Politikum geworden. Am Freitag sollten in verschiedenen Städten Protestdemos stattfinden.
Asia Bibi. (Foto: privat/www.persecution.com)

Der einflussreiche Ittehad-Rat der Sunniten hat den Präsidenten vor einer Begnadigung gewarnt. Sie würde zu «Anarchie im Land» führen, sagte sein Chef Sahibzada Fazal Karim der Nachrichtenagentur AFP. «Diese Strafe kann nicht aufgehoben werden.» Karim kündigte für Freitag landesweite Demonstrationen der im Ittehad-Rat zusammengeschlossenen Muslime an. Die Sunniten sind die grösste Religionsgemeinschaft des Landes.

Andere Muslime protestieren gegen das Vorhaben, Asia Bibi die Ausreise ins Ausland zu gestatten. Dies würde weitere Nicht-Muslime dazu verführen, Gott und Mohammed zu lästern, um Pakistan verlassen zu können! Im Parlament und auf der Strasse wollen muslimische Parteien gegen eine Ausreise kämpfen. Mit der Forderung, Bibi zu hängen, verbinden sie auch das Nein zu einer Änderung oder Aufhebung der skandalösen Blasphemiegesetze.

Freigelassen und untergetaucht?

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main wollte am Donnerstag in Erfahrung gebracht haben, dass Asia Bibi (45) aus dem Gefängnis entlassen wurde. Die fünffache Mutter halte sich mit ihrer Familie in der Hauptstadt Islamabad versteckt, aus Angst vor Anschlägen muslimischer Extremisten, teilte die IGFM unter Berufung auf einen katholischen Priester mit. In pakistanischen Medien war davon nicht die Rede.

Die katholische Nachrichtenagentur Asianews meldete ihrerseits, dass Bibis Mann Ashiq Masih mit den Kindern aus dem Dorf in die Hauptstadt geflohen ist. Das Innenministerium habe noch kein Begnadigungsgesuch der Christin erhalten. Zudem wird laut Asianews bestritten, dass Präsident Zardari Strafen wegen Vergehen gegen die Religion überhaupt aufheben kann; er sei nur für Vergehen gegen den Staat zuständig. Für die Freilassung von Asia Bibi hat sich auch der Papst eingesetzt. Am Donnerstag reiste der für den interreligiösen Dialog zuständige Vatikan-Kardinal Jean-Louis Tauran nach Pakistan.

In der Schlinge des blinden Fanatismus

Die Tagelöhnerin war am 19. Juni 2009 im Dorf Itanwali, 75 Kilometer westlich von Lahore, verhaftet worden. Die in einer Obstplantage Beschäftigte wurde von Arbeitskolleginnen beschuldigt, den Islam beleidigt zu haben. Auslöser war ein Streit um Wasser. Bibi hatte auf Geheiss eines Landwirts das Nass für die Feldarbeiterinnen geschöpft. Diese weigerten sich jedoch zu trinken, da das Gefäss von einer Christin berührt und damit „unrein“ geworden sei. Später wurde sie von aufgebrachten Muslimen überfallen und zu einer Moschee geschleppt. Dort sollte sie ihrem Glauben abschwören. Als sie sich weigerte, wurde sie geschlagen und vergewaltigt, bevor man sie der Polizei übergab. Am 8. November 2010 verurteilte sie ein Gericht in Nankana westlich von Lahore aufgrund des Blasphemiegesetzes (Lästerung des Propheten Mohammed) zum Tode.

Forderung: Blasphemiegesetz abschaffen

Im Zusammenhang mit dem Urteil sind erneut internationale Forderungen laut geworden, das pakistanische Blasphemiegesetz abzuschaffen, das seit 1991 in Kraft ist. Ein Todesurteil wurde bisher nicht vollstreckt, doch wurden laut der IGFM bisher über 650 Christen wegen eines meist haltlosen Verdachts angeklagt. In Pakistan ist der Islam Staatsreligion. Von den 173 Millionen Einwohnern sind etwa 95 Prozent Muslime.
 

Datum: 27.11.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Dawn, IGFM

Werbung
Livenet Service
Werbung