Cathy & Daniel Zindel: «Man erzieht nur mit dem Herzen gut!»
Cathy Zindel erzählt: «Ich sehe vieles: Fehler zum Beispiel, Versäumtes, Dinge, die herumliegen. Auszuhalten und grosszügig zu sein, dazu noch 'fünf gerade sein lassen', fällt mir nicht leicht. Da wird die Frage wichtig: Was ist jetzt genau meine Aufgabe, was ist mein Platz? Wo ordne ich mich zugunsten unserer Gemeinschaft ein oder unter? Und wo ist es wichtig, dass ich sage, wie es laufen soll?»
Auch Daniel Zindel musste seinen Platz als Vater erst finden. Für ihn war dabei ein Grundgefühl der Freiheit wichtig, während Erwartungen oder Forderungen seiner Frau, wie er als Vater zu agieren hätte, bei ihm für inneren Widerstand sorgten: «Eine Aufwärtsspirale begann, als mir meine Frau im Umgang mit den Kindern mehr Freiheit liess. Ich merkte aber rasch, dass das mehr Verantwortung und ausserdem schlichtweg mehr Arbeit bedeutete.» Hinter vielen «verhaltensoriginellen», jedoch nicht sehr konstruktiven Verhaltensweisen von Kindern stehe der Versuch des Kindes, um seinen Platz an der Sonne und um die damit verbundene Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu kämpfen.
Familie als sicherer Ort
«Einen Platz haben, heisst: Ich darf ich sein. Ich habe eine unendliche Würde. Es gibt einen sicheren Ort, wo meine Integrität geschützt ist. Es bedeutet ausserdem: Ich respektiere deinen Platz, deinen Raum, deine Grenzen.» Ehepaar Zindel erklärt, dass wir als Eltern eine Verantwortung für die Innen- und Aussenarchitektur unseres Familienhauses hätten. Das bedeute, dass wir über Strukturen unseres Hauses sprechen sollten, darüber, wer in der Familie wie viel Raum einnehme, ob es ungute Koalitionen gebe, die der Familie schaden, ob wir als Eltern ein Kind bevorzugen, ob das kranke, rebellische Kind vielleicht Symptomträger eines vertuschten Elternproblems sei, ob wir uns genug um das stille, angepasste Kind kümmern, etc.
Das Wir-Gefühl als Familie stärken
Cathy und Daniel Zindel erlebten, dass gut gesetzte Grenzen den Zusammenhalt und die Identität der Familie stärkten und ein «Wir-Gefühl» hervorriefen – wie eine Gore-Tex-Haut: «Sie schützen und lassen vieles abperlen, was dem Einzelnen schaden könnte.» Eine Gore-Tex-Haut sei aber zugleich atmungsaktiv und durchlässig. Wenn Grenzen in der Familie zu eng gezogen würden, werde die Familie zur Festung, wo man keine Luft mehr bekomme. Wenn die Grenzen zu wenig entwickelt seien, herrsche Durchzug. Dann fehle das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Familienidentität sei brüchig.
Glaube als Ressource für die Familie
Für viele Eltern sei die Gottesbeziehung eine wichtige Ressource. Dabei dürfe Gott aber nie auf eine moralische Instanz, als «himmlischer Aufpasser» in der Erziehung, eingesetzt werden. Ehepaar Zindel berichtet: «Bei gewissen Entscheidungen haben wir unsere älteren Kinder ermutigt, in der Selbstreflexion und im Gebet Lösungen zu suchen. 'Was möchtest du tun oder was täte dir gut?', fragten wir sie. Aber auch: 'Was würde Gott dazu sagen?'»
Das dürfe aber nicht manipulativ werden: «Wenn wir bei unseren Kindern Gott als Instanz benutzen, um sie damit in unserem Sinne zu beeinflussen, ist das ein manipulativer Missbrauch Gottes.» Wenn unsere Kinder den Glauben irgendwann ablehnen würden, heisse es, geduldig zu sein, nichts aufzuzwingen und weiter für sie zu beten. «Auch der verlorene Sohn hat zuerst die Familie verlassen, bevor er wirklich verstehen konnte, wie der Vater ist.» Das Beste sei, ihnen unseren Glauben vorzuleben und damit Modell zu werden.
Bei Niederlagen Gott einbeziehen
Es sei wichtig, so Cathy und Daniel Zindel, dass wir mit unseren Kindern nicht nur «Erfolgserlebnisse» mit Gott feiern, sondern mit ihnen auch aushalten würden, wenn Gott scheinbar nicht eingreife. «Gerade wenn wir Gott in unseren Niederlagen und in unserem Scheitern als Familie mit einbeziehen, wird der Glaube lebensnah.»
Elternschaft stärkt Liebe und fordert sie heraus
«Unsere Liebesbeziehung darf nicht in der Elternbeziehung aufgehen wie sich der Zucker im Tee auflöst», warnt Ehepaar Zindel. Exklusive Zeiten für die Liebesbeziehung seien unerlässlich. Es sei wichtig, sich abzugrenzen und Zweisamkeit sorgfältig zu gestalten. Das gehe keineswegs auf Kosten der Kinder: «Im Gegenteil. Genau das wird Ihre Kinder stärken und ihnen Sicherheit vermitteln. Die Qualität der Paarbeziehung entscheidet über die Stimmung und Atmosphäre in der Familie. Das Paar, das in seine Paarbeziehung investiert, dient den Kindern am meisten.» Unsere Unterschiedlichkeit als Elternteile bringe dabei eine bereichernde Dynamik in die Paarbeziehung und erhöhe die Kompetenz, schwierige Lebenssituationen zu zweit zu bewältigen.
Dankbarkeitstraining
«Dankbare Menschen sind glücklicher», zitiert Cathy Zindel die Psychologin Sonja Lyubormirsky von der California University. Dankbare Menschen hätten mehr Energie, seien optimistischer und empfänden häufiger positive Emotionen. Dementsprechend sollten wir uns – so Zindel – auf das Gute in unserem Familienleben fokussieren. Dann würden auch oft die helfenden göttlichen Ressourcen in unser Blickfeld treten, wie es in Psalm 50, Vers 23 heisst: «Wer Dank opfert, verherrlicht mich und bahnt einen Weg; ihn werde ich das Heil Gottes sehen lassen.»
Man könne Gott auch bitten, dass er uns Eltern die Augen öffnen möge, damit wir auch in schwierigen Zeiten voller Dankbarkeit auf das Gute an unseren Kindern schauen: «Man sieht und erzieht nur mit dem Herzen gut.»
Über die
Autoren:
Daniel
Zindel ist Theologe und arbeitet als Gesamtleiter der Stiftung «Gott hilft»,
einem christlichen Sozialwerk. Cathy Zindel-Weber ist Lehrerin und leitet die
Lebensberatungsstelle «Rhynerhus». Die beiden sind als Eheberater, Coaches und
in der Seelsorge tätig. Sie haben vier verheiratete Kinder und leben in Zizers,
Schweiz.
Zum Buch:
«Man erzieht nur mit dem Herzen gut!»
Zum Thema:
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Datum: 28.09.2021
Autor: Meike Ditthardt
Quelle: Livenet