Clarisse von Wunschheim

«Ich war ein Kontrollfreak und musste lernen, loszulassen»

Clarisse von Wunschheim reist viel und ist erfolgreiche Anwältin. Doch als sie nach Jahren im Ausland mit der Familie zurück in die Schweiz zieht, bröckelt die Ehe und ihr Selbstbild. Bis sie einen Unternehmer kennenlernt, der anders ist... Harry Pepelnar sprach für die Zeitschrift
Clarisse von Wunschheim (Bild: feg.ch)

«feg.ch» mit der Anwältin.

Unser Gespräch findet über Zoom statt. Ich treffe auf eine sympathische 42 Jahre junge Frau, die seit drei Jahren eine persönliche Beziehung zu Jesus pflegt und Teil des Prisma Rapperswil ist. Die Anwältin spricht fünf Sprachen und arbeitet in einer Kanzlei, die Streitigkeiten zwischen internationalen Unternehmen löst.

«Ich wollte bereits mit fünf Jahren Anwältin werden und hatte bereits so eine Art Friedensstifter-Gen in mir», erzählt die Mutter von zwei Kindern, als sie über ihre Familie nachdenkt. Geboren in Mexiko, ein Teil der Kindheit in Basel verbracht, die Schule im Elsass besucht und in der Familie umgeben von vielen Anwälten.

Mit 25 Jahren hat sie bereits das Zürcher Anwaltspatent und steigt in ihren Beruf ein. «Ich führte damals ein sehr liberales, freizügiges Leben, mit vielen Männern und Partys. Manchmal ging ich um 4 Uhr ins Bett und war um 7 Uhr wieder präsent in der Kanzlei.» Über ihr damaliges Verhältnis zur Schweiz sagt sie: «Es ist hier langweilig, konservativ und alles ist rigide.» Sie will weg, ins Ausland.

Im künstlichen Koma

2003 erlebt sie einen kompletten Kollaps der Lunge, eine Sars-ähnliche Krankheit. Auf der Intensivstation wird sie in ein künstliches Koma versetzt. Sie, die sowieso schon viele Träume im Schlaf hat, träumt auch heftig im Koma. Sie hat ein Nahtoderlebnis, sieht in ihrem Krankenzimmer eine Gestalt, die einen tiefen Frieden verbreitet und ihr zuruft: «Komm zu mir.» Gleichzeitig spürt sie eine Hand auf dem Schoss, die ihr sehr vertraut vorkommt. «Ich konnte mich entscheiden, zu gehen oder zu bleiben.»

Als sie dann aus dem Koma erwacht und wieder einigermassen fit ist, wird ihr klar: «Ich lebe nicht wirklich mein Leben, sondern was andere von mir erwarten. Ich muss weg, um zu mir selbst zu finden.»

9 Jahre China

China kreuzt immer wieder mal ihr Leben: Als Kind las sie Geschichten einer Missionarstochter aus China und selbst reiste sie bereits mit einer Freundin drei Monate als Rucksacktouristen durch China. «Ich war frei, jung und ungebunden – also los nach China.» Sie lernt die Landessprache und arbeitet neun Jahre lang in diversen Anstellungen als Anwältin. In dieser Zeit lernt sie ihren Mann kennen, einen gebürtigen Franzosen. Das Leben meint es gut mit Clarisse.

Plötzlich nicht mehr alles im Griff

Als das Ehepaar im Jahr 2013 wieder in die Schweiz zurückkehrt, bekommen sie einen Sohn und eine Tochter. Aber der Einstieg in die Schweiz rüttelt an ihrer Ehe. Ihr Mann schlittert in eine grosse Krise. Clarisse erzählt: «Ich schaffte es einfach nicht, ihn glücklich zu machen.» Bis jetzt hatte sie ihren Beruf und die Kinder «im Griff» – aber plötzlich verliert sie die Kontrolle. Clarisse stürzt in eine Depression.

«I am faith, compassion, fun and beauty»

In einem Seminar in Amerika schreibt sie diese Definition von sich selbst auf. «Es war ein unbewusster Schrei nach Gott.» Und Gott lässt in der Krise nicht lange auf sich warten. An einem beruflichen Mittagessen lernt sie einen Unternehmer kennen, der sie fasziniert. Er hat etwas Besonderes an sich. So googelt sie schliesslich dessen Namen und stellt fest, dass er ab und zu im Prisma predigt. Über Freikirchen meint sie: «Die freie evangelische Szene ist schon etwas merkwürdig für jemand mit katholischem Hintergrund.»

Trotzdem lässt sie sich auf eine Predigtserie im Stream ein, die Reto Pelli über das Leben von Nehemia hält. Sie findet die Predigten genial. Sie weiss: «Das entspricht mir! Es ist praktisch, es ist strukturiert, dogmatisch gut aufgebaut und nicht zu theoretisch.» Und nach jeder Predigt macht Reto Pelli einen Aufruf: «Komm zu Jesus!» Clarisse schmunzelt: «Das ist halt typisch Reto!» Aber das macht etwas mit ihrem Herzen. Sie, die tief in einer Ehekrise steckt, weiss: «Gott ruft mich zu ihm.»

Der Herrschaftswechsel

Am Muttertag 2018 wagt Clarisse sich ins Prisma Rapperswil – ihr «Muttertagsgeschenk». Danach nimmt sie Kontakt zu Reto auf und schon beim ersten Gespräch gibt sie ihr Leben Jesus. Clarisse: «Mit dem Herrschaftswechsel wurde mir zum ersten Mal klar, dass Gott eine persönliche Beziehung zu mir will.»

Eine Veränderung erlebt sie bereits am nächsten Tag. In ihrer Tagesroutine sind jeweils 20 Minuten Meditation eingebaut. Als sie das am nächsten Morgen machen will, geht es einfach nicht. Sie greift zur Bibel und fängt an zu lesen – und es ist Frieden. Der Herrschaftswechsel hat begonnen. Nach und nach wird ein Lebensgebiet nach dem andern Jesus übergeben. Beruf, Kinder und Freizeit. Nur das mit der Ehe will nicht klappen. Es wird immer schlimmer, bis ihr Ehemann auszieht. Clarisse ist ratlos und holt sich Hilfe im Prisma.

«Heute geht es mir viel besser, psychisch und emotional, als vor zwei Jahren. Und dies, obwohl vieles nicht so gelaufen ist, wie ich es mir erhofft hätte. Meine Ehe scheint tot, wir mussten umziehen, finanzielle Einbussen verkraften, usw. Aber ich fühle mich getragen.»

Clarisse sagt: «Jesus hat mich geheilt von meiner Selbstgerechtigkeit. Jesus hat mich von meinem Leistungsdenken erlöst. Ich lerne, dass ich mich selber nicht mehr über mein Können definieren muss. Das gibt mir eine Gelassenheit, auch in meiner Arbeitswelt.» Heute gehe sie ruhiger in ihre Mandate und sei gespannt, was Gott wohl daraus macht. «Es kommt vor, dass ich Mandanten einen Bibelvers gebe oder sogar mit ihnen bete.» Damit hat sie sehr positive Erfahrungen gemacht. «Das geht aber natürlich nicht in jeder Situation – aber in jeder Situation wirkt Gott.»

Ich bin berührt und fasziniert von dieser Geschichte die Clarisse mir erzählt. Und mir bleibt nicht nur ein Satz hängen aus diesem Gespräch, aber einer ganz besonders: «Wer nicht an Gott glaubt, der ist nicht ganz rational.»

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Datum: 12.03.2021
Autor: Harry Pepelnar
Quelle: FEG

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