Ein Leben voller Leidenschaft
Als Sohn spanischer Einwanderer wächst Eladio German in Biel auf, geprägt von einer einzigartigen Mischung aus alemannischer, welscher und spanischer Kultur. Seine Frau Daniela ist gerade mal 15 Jahre alt, als sie Eladio erklärt: «Du wirst mein Ehemann!» 1974 gesagt, 1984 getan: Die beiden heiraten und ihnen werden im Laufe der Zeit drei Kinder geschenkt.
Das Leben der Germans ist ein einziges Abenteuer. Das Geheimnis von Eladio und Daniela ist ihre tiefe Beziehung zu Jesus Christus. Sie sind fest im Glauben verwurzelt. Begonnen hat dieser Weg schon früh. Eladios Mutter, eine ernsthafte Katholikin, schickte ihn in den Katechismus-Unterricht. Der gutmütige ältere Priester erlaubte es den Kindern, nach dem Unterricht jeweils zu musizieren. Das habe ihm sehr viel Spass gemacht, erinnert sich Eladio. Als Sechsjähriger wurde er Messdiener. Als Einzelkind liebte er es, mit Gleichaltrigen in die Kirche zu gehen. Es waren seine ersten Schritte auf dem Weg zum Musiker und zum persönlichen Glauben an Gott.
Unerwartete Entscheidung
Eladio wollte Pilot werden. Dafür empfahl sich als Erstes eine technisch-elektronische Ausbildung. Doch gleich nach deren Abschluss schlägt ihm ein Freund aus Kindertagen – er ist nun Generalvertreter einer grossen Versicherungsgesellschaft – eine Tätigkeit in der Versicherungsbranche vor. Ist das nicht ein Traumberuf für jemanden, der Zahlen liebt, sich in Mathematik gut auskennt und zwei Sprachen perfekt spricht? Eladio erzählt: «Ich hatte überhaupt keine Ahnung vom Versicherungswesen. Zugesagt habe ich nur, weil ich inzwischen Daniela kennengelernt und keine Lust mehr hatte, als Pilot zu arbeiten. So kam ich zu meinem heutigen Beruf.» Mit 24 macht er trotzdem den Pilotenschein, für private Flüge.
Die Jahre vergehen, die Kinder werden grösser, die Familie German lebt inzwischen in Lausanne. Eladio wird mit Gott und seiner guten Nachricht konfrontiert. Es sind bekennende Christen in seinem Freundeskreis, die mit ihm ungezwungen über Aussagen in der Bibel sprechen und von ihrem Glauben und Erleben erzählen. Diese Gespräche bringen ihn in kleinen Schritten näher zu Gott. Den entscheidenden Schritt tun Eladio und Daniela schliesslich gemeinsam. Das war so: Ihr Sohn spielt schon mit 14 ausgezeichnet Schlagzeug. Er wird eingeladen, in einer Kirche zu spielen, weil dort ein Schlagzeuger fehlt. Weil es für den Transport des Schlagzeugs ein Auto braucht, fahren die Eltern mit. «Natürlich blieben wir dann während des Gottesdienstes dort», sagt Eladio. «Es gefiel uns je länger desto besser.» Als ihr Sohn aus beruflichen Gründen nicht mehr dort spielen konnte, vermissten die Germans die Gemeinschaft und die Zeit in der Kirche. Sie entschlossen sich, die Gottesdienste weiterhin zu besuchen. Eladio: «Es kam der Tag, an dem wir von der Wahrheit des Evangeliums so überzeugt waren, dass wir beschlossen, uns taufen zu lassen.» Das war am 2. März 2008.
Versicherungsagent und Seelsorger
Eladio Germans Credo ist es, «jederzeit und überall zu dienen», oder anders gesagt, verfügbar zu sein, wenn seine Kunden ihn brauchen. Er will präsent sein, zuhören, helfen. Das macht den Unterschied aus. Er ist überzeugt, dass die Tätigkeit des Versicherungsberaters nie von Maschinen übernommen werden kann. Seit vielen Jahren bietet er Versicherungen für das Hotelgewerbe an, wo die Angestellten häufig wechseln. Und was tun diese, wenn sie bei einem Schadenfall keinen Rat wissen? Natürlich rufen sie Kundenberater German an. Die Kunden haben seine Handynummer und wissen, dass er für sie jederzeit erreichbar ist. Dass die Homepage von Eladio seit 15 Jahren «im Aufbau» ist, spielt dabei gar keine Rolle. «Meinen Kunden geht es nicht um meine Webseite. Ihnen kommt es darauf an, dass ich für sie da bin, wenn sie mich brauchen», meint Eladio.
Bevor er sich selbständig macht, arbeitet er während elf Jahren als Generalvertreter, also in der höchsten Position der Versicherungsbranche. Er wird Mitglied in der Kammer der Generalagenten im Kanton Waadt. Deren Präsident stellt erstaunt fest, dass Eladio noch keinen einzigen arbeitsrechtlichen Streitfall vor Gericht austragen musste. «Es stimmt, dass meine Tür für meine Mitarbeiter immer offenstand», sagt Eladio. Manchmal hatte er den Eindruck, er sei mehr Seelsorger denn Versicherungsagent.
Er räumt ein, dass die Arbeit in der Versicherungsbranche risikoreich ist: «Für viele bedeutet sie Dauerstress und ständige Existenzangst. Was wird der nächste Tag bringen? Jeder Jahresabschluss kann das endgültige Aus bedeuten! Und im neuen Jahr beginnt man wieder bei null.» Viele seiner Kollegen – darunter etliche, die hervorragende Arbeit leisten – geben auf, um ihre Ehe zu retten. Ihre Frauen ertragen es nicht, wenn der Mann kein festes Gehalt hat, sondern in einem Monat 6'000 Franken verdient, im zweiten 12'000 und im dritten nur 1'500. Es hilft Eladio und Daniela German, ihr Vertrauen in Jesus zu setzen. Der Glaube schenkt ihnen die nötige Gelassenheit, um in einem instabilen beruflichen Umfeld voranzukommen. Inmitten aller Turbulenzen spüren sie die Kraft der unsichtbaren Hand Gottes, so beschreiben es die beiden.
Das Montreux Jazz Festival
Aber da ist ja noch die Musik... Von klein an war Eladio begeistert von Musik. Mit zehn Jahren spielt er Trompete im Jugendmusikkorps Biel. Weil ihn die Trommelwirbel faszinieren, wechselt er mit 13 Jahren zum Schlagzeug. Als fleissiger Schüler perfektioniert er seine Spieltechnik an der Swiss Jazz School in Bern. Aber obwohl er viel übt, weiss er, dass das Schlagzeug ein Hobby bleiben wird. Seiner Meinung nach fehlt ihm das entscheidende künstlerische Gespür, das die grossen Musiker ausmacht.
Da sich auch Daniela für Jazz begeistert, schliessen sie sich dem Freundeskreis des Montreux Jazz Festivals an, wo sie bei Abendveranstaltungen oder am Wochenende aushelfen. Dort lernen sie viele neue Leute kennen. Eladio German: «Wir konnten mit den Künstlern in dem eigens für sie vorgesehenen Restaurant essen, mit Menschen, mit denen ich mich sonst nie hätte unterhalten können.» Die Bilder von gemeinsamen Essen mit Musikern von Weltrang füllen ein ganzes Album. Darunter sind Sting, Santana und Quincy Jones.
Bundesrat Merz verzichtete auf Champagner
Wegen seines Enthusiasmus, seiner Zweisprachigkeit und Einsatzbereitschaft wird Eladio German in den Mitarbeiterstab des Festivals aufgenommen. Dort verkehrt er viel mit Claude Nobs, dem Mitbegründer des Festivals. Der 2013 verstorbene Nobs war eine vielschichtige Persönlichkeit. Für gewöhnlich empfing er die Künstler in seinem Chalet in Caux, einem malerischen Dorf oberhalb von Montreux. Doch nicht nur weltberühmte Musiker lud er ein, auch angesehene Führungskräfte und Politiker. Wenn deutschsprachige Persönlichkeiten kamen, verliess sich Nobs auf Eladio: «Du musst kommen, du bist der einzige Zweisprachige im Team!» Dass Eladio mühelos andere Sprachen spricht, öffnet ihm viele Türen. Wenn sich beispielsweise Bundesräte mit ihren Familien angesagt haben, wird er beauftragt, sie zu empfangen – mit der klaren Vorgabe, ihnen alles zu geben, was sie wünschen, und nie Nein zu sagen!
Nie vergessen wird Eladio German eine Begegnung mit Hans-Rudolf Merz im Jahr 2009. Der damalige Bundespräsident besuchte das Festival zusammen mit seiner Frau. An jenem Abend gibt es ein kubanisches Konzert mit einem berühmten Schlagzeuger. Da er weiss, dass auch der Sohn des Ehepaaras Merz Schlagzeug spielt, schlägt Eladio vor, die Musiker nach dem Konzert aufzusuchen. «Geht das denn?», wird er erstaunt gefragt. Klar geht das! Backstage werden sie von den Musikern mit tosendem Applaus empfangen. Welche Ehre, den Bundespräsidenten hier zu haben, das muss gefeiert werden! Eladio fragt das Ehepaar Merz, welchen Champagner sie am liebsten trinken. Das Präsidentenehepaar lehnt höflich ab und meint: «Ein Mineralwasser genügt.» Eladio kommentiert bewundernd: «Unsere Bundesräte sind überaus bescheiden. Welch ein Glück, dass sich die massgeblichen Politiker in der Schweiz mit dem zufriedengeben, was sie haben. Es ist eine Gnade Gottes, Vertreter des Staates zu haben, die nicht bestechlich sind!»
Ohne Coronavirus hätte Eladio 2020 zum 36. Mal zum Personal des Montreux Jazz Festivals gehört. Er arbeitet ehrenamtlich mit, was im Gegensatz steht zur Behauptung, es handle sich um ein Festival nur für Reiche. Eintrittskarten sind deshalb teuer, weil die Programmpunkte viel kosten. Aber dank Sponsoren sind auch viele Veranstaltungen gratis. Gerade diese Mischung mit kostenlosen Freiluftkonzerten von sehr hoher Qualität erlaubt es auch Personen mit kleinem Budget sowie Familien, das Festival zu besuchen. Eladio German freut sich über diese Öffnung für ein breiteres Publikum, weil er dadurch in den improvisierten Jam Sessions Schlagzeug spielen kann! Im Übrigen hat er auch seine eigene Band, die bei privaten Anlässen, an Volksfesten oder in der Kirche spielt.
Unterwegs mit Gottes GPS
Eladio ist nicht nur Musiker, Versicherer, Festivalmitarbeiter und Pilot, sondern auch Motorradfan. 2015 ist er mit seiner Daniela die legendäre Route 66 in den USA gefahren! Das Fliegen eröffnet ihm ebenfalls fantastische Perspektiven. «Vom Flugzeug aus sehe ich aussergewöhnliche Dinge, die man von unten nicht sieht. Ich habe Hunderte von Passagieren mitgenommen, damit sie die Herrlichkeit der Natur, die Schöpfung Gottes erleben können», schwärmt er. Beim letzten medizinischen Check zur Flugtauglichkeit staunte der Arzt: «Es ist unglaublich, wie gut es Ihnen in Ihrem Alter geht. Ihr Sehvermögen ist immer noch ausgezeichnet!» Eladio German ist dankbar. Er meint: «Wenn der Herr mir Gesundheit schenkt, damit ich bis zum 99. Lebensjahr meinem Nächsten dienen kann, dann bin ich der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.»
Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin idea Schweiz.
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Datum: 22.03.2021
Autor: Monika von Sury
Quelle: idea Schweiz