Syriens Christen

«In unserer Kirche wird ununterbrochen gebetet»

Was schützt Syrien vor einem landesweiten offenen Bürgerkrieg? Christen weltweit sollten angesichts der Brutalität nicht aufhören, für einen tiefgreifenden Wandel im Land zu beten. Die christliche Minderheit Syriens ist in Gefahr.
Syrische Kirche

«Die Lage verschärft sich zusehends. Menschen werden auf offener Strasse entführt oder erschossen.» Ein Kirchenleiter sagte dem Hilfswerk Open Doors, Autodiebstähle sowie die Entwendung von Benzin seien an der Tagesordnung. Bisher hätten nur wenige Christen das Land verlassen, «aber viele sind im Begriff, ihre Abreise zu organisieren. Um uns herum regnet es Bomben. Aber was uns am meisten zermürbt, ist die ständige Furcht.» In der Gefahr gewinnen Christen Kraft im Beten. «In unserer Kirche wird ununterbrochen gebetet», sagt ein Pastor in der Hauptstadt. Die syrischen Gläubigen appellieren an Christen im Ausland, für sie zu beten.

Tiefere Gräben

Syrien steckt in der Sackgasse und die Gräben des Misstrauens zwischen den Religionsgemeinschaften vertiefen sich. Das Regime hetzt die Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf. Den Horror beschreibt die ausgewanderte Alawitin Samar Yazbek in ihrem Buch Schrei nach Freiheit.

Bonbon für Sunniten

Der diktatorisch regierende Präsident Baschar al-Assad scheint angesichts des Volksaufstands in der Mentalität seines alawitischen Clans gefangen, die nur Anhänger und Verräter kennt. Mit der am 26. Februar an der Urne genehmigten Verfassungsänderung kann kein Nicht-Muslim mehr Staatsoberhaupt werden. Um der Dreiviertel-Mehrheit der Sunniten einen Schritt entgegenzukommen, brach Assad mit der säkularen Tradition seiner Partei.

Christen herabgesetzt

Die christliche Minderheit, deren Sprecher dem Präsidenten im Aufstand 2011 die Stange gehalten haben, ist vor den Kopf gestossen, wie Sami Moubayed in einem Beitrag für CNN schreibt. Eine reale Chance aufs Amt habe ohnehin kein Christ. Die verschiedenen Kirchen zählen laut dem Gebetshandbuch Operation World 1,4 Millionen Mitglieder, 6 Prozent der 23 Millionen Einwohner.

Wie eine hypnotisierte Maus

Laut einem Beobachter in der Region schauen die Christen «gebannt wie eine hypnotisierte Maus auf zwei Schlangen: Die eine ist das noch bestehende System, dem gegenüber besonders die leitenden Christen, weniger die Jugendlichen, unter allen Umständen systemkonform erscheinen wollen.» Die andere seien die Islamisten.

Stammland des Glaubens

Syrien gehört zu den Stammländern des Christentums; dies macht auch ein Paulus-Film deutlich, der im Land produziert werden konnte. Die etablierten syrischen Kirchen haben unter dem Assad-Regime vergleichsweise grosse Freiräume genossen. Begreiflicherweise fürchten die Christen islamistische Herrschaft sowie Chaos und Terror wie im Irak. Dass die jüngere Generation mit den arabischen Protestbewegungen sympathisiert, dürfte die Gemeinschaft auf eine harte Probe stellen.

Datum: 06.03.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Open Doors

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